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Jörg Bernstein im Interview

Der Lehrer im Landtag

Jörg Bernstein (57) unterrichtete viele Jahre Berufsschüler in seiner Heimatstadt Dessau-Roßlau unter anderem im Rechnungswesen. Um Sachsen-Anhalt liberaler und moderner zu machen, wechselte er in die Politik, übernahm nach dem Einzug der FDP in den Landtag 2021 die Themen Bildung und Finanzen und damit die Verantwortung für einige der drängendsten Probleme im Land. An welchen Stellschrauben dreht er mit den Liberalen, welche Fortschritte gibt es und wie soll es in der zweiten Halbzeit der Wahlperiode weitergehen?

„Hallo, Jörg! Bist du wieder da?!“ An jeder Ecke wird Jörg Bernstein beim Treffen am Anhaltischen Berufsschulzentrum „Hugo Junkers“ Dessau-Roßlau wiedererkannt. Kollegen grüßen fröhlich, erkundigen sich, wie es ihm geht im gut 60 Autominuten entfernten Magdeburger Landtag. Zu übersehen ist der 1,90-Meter-Mann ohnehin nicht. Es ist ein sonnig-goldener Spätsommertag. Jörg Bernstein zeigt seine alte Wirkungsstätte. Viele Jahre unterrichtete er hier unter anderem Rechnungswesen. Und um es gleich vorwegzunehmen: Nein, er kommt bis auf Weiteres nicht an die Schule zurück.

Keine Frage, für welche Themen ist der FDP-Mann aus Dessau seit seinem Einzug in den Landtag 2021 für die Liberalen „am Ball“ ist: Bildung und Finanzen sind seine Fachgebiete. Damit steht er besonders häufig im Mittelpunkt des politischen Geschehens. Und die Herausforderungen sind nicht eben klein: Lehrer gibt es seit Jahren überall im Land zu wenig, und Geld, das zu verteilen wäre, erst recht. Dennoch konnte Bernstein mit seiner Fraktion in der ersten Halbzeit der Legislaturperiode bereits einige Punkte machen.

In den Debatten im Plenum oder in den Ausschüssen macht Bernstein dabei keiner so schnell etwas vor. Der Quereinsteiger in die Politik („Ich wollte selbst etwas bewegen und machen, statt nur zu meckern“) weiß schließlich ganz genau, was an der Basis los ist. Geht es um Finanzen oder neue Schulden, von denen manche Fraktion gern noch viele Milliarden mehr machen würde, verweist Lehrer Bernstein auf die Unbestechlichkeit der Mathematik; seinen Schülern vermittelte er sie mit Leidenschaft. Und er warnt vor der finanziellen Last für künftige Generationen, deren Gestaltungsspielraum immer weiter schrumpfen würde. Ganz ruhig und besonnen trägt er dazu Zahlen und Fakten vor, malt aus, was man für die zig Millionen Euro Zinsen, die Jahr für Jahr für Kredite fällig werden, alles finanzieren könnte: Straßen, Brücken, Schulsozialarbeit … 



Die Deutschlandkoalition setzt im Sinne einer soliden Haushaltspolitik Schwerpunkte und investiert deutlich mehr in die Zukunft, ohne die Verschuldung in immer neue Höhen zu treiben. Und das trotz immenser Herausforderungen infolge von Corona und Ukrainekrieg. So stellt Sachsen-Anhalt mit der FDP in Regierungsverantwortung deutlich mehr Geld für Bildung zur Verfügung. Beispiel: Auf Initiative der FDP-Fraktion einigte sich die Koalition auf höhere Finanzhilfen für die Schulen in freier Trägerschaft. „Sie drängen bereits seit Langem darauf. Laut Gerichtsurteilen haben sie auch Anspruch darauf. Die FDP-Fraktion hat dafür gesorgt, dass die Unterstützung der freien Schulen um einen regelmäßigen Betrag angehoben wurde“, sagt Bernstein: „Freie Schulen sind ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft und sorgen für Vielfalt. Eine faire Finanzierung ist unerlässlich, um gleiche Chancen für alle Schulen – in freier und öffentlicher Trägerschaft – zu sichern.“ Auch für die Schulsozialarbeit stellt die Deutschlandkoalition mehr Geld bereit. Zuletzt einigte sich die Koalition auf die weitere Kofinanzierung eines entsprechenden EU-Programms bis 2028 und kam den Kommunen entgegen. Ein Kompromissvorschlag der FDP-Fraktion brachte in den Verhandlungen den Durchbruch.

Gleiche Chancen für alle Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft.



Jörg Bernstein (FDP)

Lehrkräfte entlastet

Drängendstes Problem: Unterrichtsausfall durch Lehrermangel. Bernstein sieht nicht die eine große, schnelle Lösung, will das Übel von allen Seiten anpacken: „Mit althergebrachten Konzepten kommen wir hier nicht weiter. Wir müssen neue Wege gehen.“

Die Liberalen geben dafür immer wieder Anstöße. Sie wollen den Lehrerberuf attraktiver machen und Sachsen-Anhalt im bundesweiten Ringen um Nachwuchs Vorteile verschaffen. Ein Baustein dazu: die vom Landtag beschlossenen flexiblen Lebensarbeitszeitkonten, eine Idee, die die Liberalen durchgesetzt haben. Sie ermöglicht Lehrkräften, geleistete Überstunden als Zeitguthaben anzusammeln und später umzuwandeln

Forcierung des Bürokratieabbaus und die Entlastung der Lehrkräfte

Weiteres Teil im großen Puzzle: Die Freien Demokraten forcieren den Bürokratieabbau und die Entlastung der Lehrkräfte. Bernstein: „Sie sollen von zusätzlichen Verwaltungsaufgaben soweit wie möglich befreit werden. Dazu werden inzwischen auch die von uns geforderten Verwaltungsassistenten sowie Digitalassistenten eingesetzt, damit sich die Lehrkräfte auf ihre eigentlichen Unterrichtsaufgaben fokussieren können.“ Die Öffnung für den Quereinstieg in den Lehrerberuf sieht Bernstein ebenso als Chance: „Dafür muss sich die Gesellschaft stärker öffnen und das Land die Begleitung der Seiteneinsteiger noch intensivieren und weiter verbessern.“ Auch müssten Unterrichtsinhalte erneuert werden: „Für die reine Vermittlung von Faktenwissen kann und muss die Digitalisierung wesentlich stärker eingesetzt werden. Diese Elemente sind effizienter und entlasten Lehrkräfte. Ich habe selbst erlebt, dass digitale Formate mit voller Begeisterung von den Schülerinnen und Schülern angenommen werden. Sie wollen diesen langweiligen Frontalunterricht nicht mehr“, berichtet Bernstein. Umso wichtiger, dass das Land, wie von der FDP gefordert, ein Modellvorhaben zur Erprobung digitalen Unterrichts an Berufsschulen gestartet hat.



Neue Konzepte

Was hingegen nicht helfe, seien ständiges Klagen und fehlender Wille zur Modernisierung. „Das“, so Bernstein, „wird sicher nicht dazu führen, dass sich junge Menschen nach dem Schulabschluss für eine pädagogische Ausbildung entscheiden.“ Um aber genau das zu erreichen, will er mehr Zugänge zum Lehrerberuf schaffen und dafür auch ein duales Anwärter-Modell auf den Weg bringen: „Es bietet die Möglichkeit der Kooperation mit den Hochschulen des Landes, unter anderem der Hochschule Anhalt. Dort ist ein solches Konzept schon seit Längerem in der Überlegung.“ Wird er eigentlich selbst irgendwann wieder vor einer Klasse stehen? Jörg Bernstein muss nicht lange überlegen. Vorstellen könne er sich das, natürlich, sagt er entspannt, das Lehrersein sieht er als seine Berufung. Doch jetzt ist sein Platz im Landtag. Und dort will er noch viel für die Bildung im Land bewegen. •

Liberale Erfolge

Modellversuch: Unterricht digital

Der Digitalisierung in der Bildung wurde, wie von der FDP gefordert, ein fester organisatorischer Rahmen gegeben, um unter anderem neue digitale Lernformate zu entwickeln. 12 der 24 Berufsbildenden Schulen (BbS) in Sachsen-Anhalt sind dazu im zweiten Schulhalbjahr 2022/23 erfolgreich in das Modellprojekt „Blended Learning“ gestartet. Präsenzunterricht und moderne digitale Lernangebote werden dabei miteinander verbunden.



Flexible Lehrer Arbeitszeitkonten

In Zeiten des anhaltenden Lehrkräftemangels leisten viele Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig Mehrarbeit. Allerdings durften sie laut „Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ nicht längerfristig Überstunden ansparen, sondern mussten diese spätestens im Folgeschuljahr ausgleichen. Das war jedoch aufgrund der derzeitigen Unterrichtsversorgung schwer umsetzbar.

Deshalb arbeitete die FDP Fraktion intensiv an neuen Möglichkeiten, das Arbeitszeitvolumen zu flexibilisieren. Die Lösung: Lebensarbeitszeitkonten. Die Lehrkräfte können so ihre Überstunden auf das Konto übertragen und langfristig Mehrarbeitszeit ansparen. Neben der Möglichkeit der direkten Ausgleichszahlung können die geleisteten Mehrzeiten so nach einer gewissen Wartezeit ausgeglichen werden (Sabbatjahr; Freistellung vor Ruhestands-/Renteneintritt; Reduzierung der Pflichtstunden). Die Einführung der Lebensarbeitszeitkonten wurde nach langen Verhandlungen auf Druck der FDP Ende 2022 vom Landtag beschlossen.

Faire Finanzierung für freie Schulen

Nach mehreren Gerichtsurteilen müssen die Zahlungen an die Träger freier Schulen grundlegend neu berechnet werden. Die FDP-Fraktion hatte dessen ungeachtet bereits 2022 durchgesetzt, dass die Finanzhilfen pauschal um 6,35 Prozent angehoben werden. Zuletzt einigten sich die Koalitionsfraktionen, diese erhöhten Finanzhilfen auch für 2024 im Rahmen einer Übergangsregelung zu zahlen. Sie soll so lange gelten, bis ein ausstehendes neues Finanzhilfeberechnungsmodell beschlossen wird. „Hier erwarten wir eine zügige Umsetzung. Wir setzen uns weiterhin für eine faire und angemessene Finanzierung der freien Schulen ein. Diese verdienen sie aufgrund ihrer Leistungen für unsere Bildungslandschaft ganz einfach“, sagt FDP-Bildungspolitiker Jörg Bernstein. In Sachsen-Anhalt lernen gut zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft.

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wurden die Finanzhilfen für Freie Schulen angehoben

Schulsozialarbeit gesichert

Die Koalitionsfraktionen haben sich auf eine Finanzierung bis 2028 geeinigt. Dabei kommt ein Kompromissvorschlag der FDP-Fraktion zum Tragen: Der Anteil der Kommunen soll statt 20 nur 10 Prozent betragen, das Land übernimmt 30 Prozent der Kosten für die Stellen. 60 Prozent der Mittel kommen aus einem entsprechenden EU-Förderprogramm. Wichtigstes Ziel ist, die Schulabbrecherquote zu senken.

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Redaktion: Robert Richter Bilder: Hans Eckardt